Afghanische Surf-Meisterschaften | Behind the scenes
Einen Blick hinter die Kulissen der ersten afghanischen Surf-Meisterschaften werfe ich mit dem zweiten Teil meiner Fotoreportage von einer wunderbaren Zeit in Portugal, die nun leider schon wieder zu Ende ist. Vielen Dank an alle, die dabei waren und das Event zu dem gemacht haben, was es am Ende war. Ein einziges, herzliches Fest am Meer! :-) Hier geht es zu den Fotos:
SURFEN ZWISCHEN GÖTTINGEN UND AFGHANISTAN
Text: Marco Schulze
Im ehemaligen portugiesischen Fischerdorf Ericeira arbeiten in diesen Tagen afghanischstämmige Surfer am Feinschliff des Wellenreitens. Die ersten Surfer sind bereits um sieben Uhr im Wasser. Dann beginnt das lange Warten auf die perfekte Welle. Die anderen stoßen gegen Mittag dazu. Im strandnahen Hostel wird währenddessen bereits das Abendbrot vorbereitet. Aus den Boxen klingt Musik aus dem Land, das viele nur durch die Kriegsberichterstattung im Fernsehen kennen. Der Garten des Hostels ist prall gefüllt. Mittendrin sitzt Afridun Amu, den hier alle nur Afri nennen. Amu kam mit fünf Jahren als Flüchtling nach Göttingen. Heute, 22 Jahre später, ist er eine Art Hoffnungsträger für viele Afghanen. Er ist das Gesicht der ersten afghanischen Surf-Meisterschaft, die an diesem Wochenende ausgetragen wird.
Freunde und Verwandte reisen mit
Der 27-Jährige hat 2012 gemeinsam mit Freunden den afghanischen Surf-Verband WRAA gegründet, mit dem Ziel einer eigenen Surf-Meisterschaft. Acht Männer und vier Frauen sind seinem Ruf nach Portugal gefolgt. Mitgebracht haben sie viele Freunde und Verwandte. Da die meisten Teilnehmer mittlerweile in Deutschland wohnen, mischt sich das Bild der Exil-Afghanen mit vielen Deutschen. Es wird Englisch, Deutsch oder Dari – eine Variante des Neupersischen – gesprochen. Die Stimmung ist sehr gelöst. Von Nervosität ist nichts zu spüren.
Afghanistan ist mehr als Krieg und Terror
Egal, mit wem man spricht, vom Siegen spricht hier niemand. Es geht den Surfern einzig und allein ums Mitmachen. Sie wollen mit der Aufmerksamkeit des Surf-Wettbewerbs ein neues Bild von Afghanistan vermitteln. “Das Ziel ist es, andere Schlagzeilen von Afghanistan zu lesen und hören als die üblichen. Und das haben wir schon jetzt erreicht. Alles was jetzt kommt, ist Sahnehäubchen”, erklärt Afridun Amu. Er hofft, dass sich die Meisterschaft etabliert und im nächsten Jahr auch Surf-Begeisterte teilnehmen, die in Afghanistan leben.
Ericeira ist einer der besten Surf-Spots der Welt
Damit der Wettkampf überhaupt stattfinden kann, hatten Amu und Co. im Frühjahr über eine Crowdfunding-Plattform nach privaten Sponsoren gesucht. Obwohl das Mindestziel von 7.000 Euro nicht ganz erreicht wurde, haben sich die Organisatoren dazu entschieden, die Meisterschaft trotzdem auszutragen. Und zwar nicht an irgendeinem Ort, sondern am besten Surfspot Portugals. Das jedenfalls behauptet Miguel Barata de Almeida, Präsident des “Ericeira Surf Club”. Ericeira gehört seiner Aussage nach zu den fünf besten Surf-Plätzen der Welt. Allein 25 Surfschulen gibt es hier. Es ist nicht das erste Mal, dass andere Länder ihre nationalen Meisterschaften in dem kleinen Ort bei Lissabon austragen. Auch die Österreicher kämpfen hier um die nationale Wellenreiterkrone, während sich die besten deutschen Surfer wiederum in Frankreich messen.
Das Medieninteresse ist groß
Um die letzten organisatorischen Fragen zu klären, ist Afridun Amu bereits seit gut einer Woche in Portugal. Immer wieder muss er deutschen und portugiesischen Medien Auskunft über das Sportereignis geben. In jedem Gespräch spürt man seine Leidenschaft für das Wellenreiten. Dabei hat den 27-Jährigen das Surf-Fieber erst vor neun Jahren gepackt. Damals war Amu gemeinsam mit Freunden aus Göttingen zum ersten Mal im Surf-Urlaub. Seitdem surft der Student regelmäßig. Mit seinem Surfbrett war er schon auf der ganzen Welt unterwegs.
Zum Wettbewerb gibt es ein großes Rahmenprogramm
Für die afghanische Surf-Meisterschaft in Ericeira steht ein Zeitfenster von drei Tagen zur Verfügung. An den anderen Tagen stehen unter anderem Drachenbauen, Dari-Sprachkurse, Yoga und Surf-Unterricht auf dem Plan. Daran dürfen auch die Gäste der Sportler teilnehmen. Obwohl täglich neue Leute zur Gruppe dazu stoßen, hat sich laut Amu in Portugal eine eigene Dynamik entwickelt. Er hofft, dass das bis zum Ende so bleibt. Hoffnung setzt der Student auch in den Wetterbericht für die kommenden Tage. Denn die Wellen könnten in Europas bestem Surf-Revier ruhig noch ein bisschen höher schlagen, findet Amu.
Mit Musik in den Schlaf
Mittlerweile ist es Mitternacht. Afridun Amu hat sich eigentlich schon ins Bett verabschiedet. Dann holt sein Cousin eine Gitarre raus. Amu kehrt keine zwei Minuten später mit mehreren Trommeln zurück, setzt sich auf den Boden und findet nach wenigen Takten den passenden Rhythmus zur Gitarre. Diejenigen, die noch wach sind, singen mit. Es ist Ausdruck afghanischer Lebensfreude, die sich hier in Ericeira auf alle überträgt.
Hier geht’s zu Teil I der Fotoreportage: Wettkampftag der ersten afghanischen Surf-Meisterschaften.
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