Als Flüchtlingshelfer auf der Balkanroute
In der letzten Septemberwoche war ich gemeinsam mit anderen Freiwilligen in Opatovac, an der Grenze zwischen Serbien und Kroatien. Das Auffanglager Opatovac war im vergangenen Jahr auf der Balkanroute einer der wichtigsten Durchgangsorte für viele Menschen auf der Flucht vor Krieg, Hunger und jahrelangem Warten auf Frieden.
Die Versorgungssituation in Opatovac war sehr prekär. Es fehlte quasi an allem. Besonders die logistische Herausforderung, jeden Abend aufs Neue genug Decken, Schuhe und warme Kleidung für alle Menschen zu organisieren, überforderte uns über alle Maße. Jede Nacht kamen über 5000 Menschen über die Grenze hier an, meistens völlig durchnässt, durchgefroren und hungrig.
Ich tue mir noch immer schwer, das Erlebte in Worte zu fassen. Deshalb lasse ich lieber einige meiner Bilder sprechen, die ich nebenher völlig wahllos und sprichwörtlich aus der Hüfte geschossen habe. Fotografieren im Camp war offiziell nicht erlaubt, deshalb blieb nur die Möglichkeit, versteckt mit einer kleinen Pocketkamera ein paar Schnappschüsse zu machen. Mir war es aber wichtig ein paar Bilder mit nach Hause zu bringen, und dieser humanitären Katastrophe direkt vor der Haustüre Europas und meinen eigenen Erfahrungen damit ein Gesicht zu verleihen. Ich lade Euch ein, in Ruhe die folgende Fotoreportage durchzusehen.
Für mich selbst waren es im vergangenen Jahr die unbegreiflichen Bilder aus Aleppo, Damaskus und Palmyra, die mich bewegt haben, diesen Schritt zu gehen und vor Ort zu helfen. Es waren die Bilder von Orten an denen ich selbst schon als Reisender war und eine einzigartige Gastfreundschaft erfahren durfte. Diese wunderbaren Orte plötzlich in Schutt und Asche und Menschen dort sterben zu sehen hat in mir einen übermächtigen Impuls ausgelöst, in dieser Situation zu helfen.
AKTUELL: FLÜCHTLINGSLAGER IDOMENI
Aus aktuellem Anlass bin ich nun erneut aufgebrochen und bin in diesen Stunden unterwegs nach Griechenland in das Flüchtlingslager Idomeni. Ich werde mich dort wieder der mir vertrauten Hilfsorganisation IHA anschließen und so gut es geht vor Ort helfen. Wenn ihr mich dabei unterstützen wollt, schreibt mir eine kurze Mail an mail@davidlohmueller.com und sagt, wie viel ihr spenden wollt. Ich kann garantieren dass jeder Euro dort ankommt wo er dringend benötigt wird.
Weitere nützliche Informationen wie Ihr helfen und auch gegen Spendenquittung spenden könnt findet ihr auf der Homepage der IHA: http://www.iha.help
Vielen Dank!

Der Eingangsbereich des Camps ist der einzige Ort, an dem wir Hilfsgüter verteilen dürfen. In der Regel bleibt eine Kontaktzeit von 10-15 Minuten pro ankommenden Bus. Sobald Busse einrollen verständigen wir uns per Funkgerät und koordinieren die benötigten Kleider, Schuhe etc. von unserem Materiallager.

Luftaufnahme vom dem Flüchtlingslager in Opatovac. Leider hatten freiwillige Hilfsorganisationen dort lange keinen Zugang. Die einzige Möglichkeit Flüchtlingen zu helfen war in den schmalen Zeitfenstern bei der Ankunft und bei der Abfahrt der Busse vor dem Auffanglager oder direkt an der 17km entfernten Grenze.

Viele Flüchtige haben nichts mehr außer die Kleider, die sie gerade tragen. Diese sind meistens völlig durchnässt. Jede Hilfe wird hier benötigt.

Die Busse fahren Tag und Nacht von der 17km entfernten Grenze in Bapska und bringen die erschöpften Flüchtlinge ins Auffanglager.

Befreundete Hilfsorganisationen, die an der grünen Grenze in Bapska stationiert sind fordern Unterstützung an.

Um 5 Uhr in der Früh kommt ein Hilfskonvoy aus Schottland an. 3 Tage waren sie non-Stop unterwegs, um Ihre gesammelten Kleiderspenden zu uns zu bringen.

Der letzte Kraftakt an diesem Tag: Alle mit anpacken – das am selben Mittag errichtete leer wartet schon.

Erneuter Versuch. Jeden Tag versuchen wir uns Zugang zum Camp zu verschaffen, um dort näher und länger an die hilfsbedürftigen Flüchtlinge ranzukommen. Leider haben nur das rote Kreuz, UNHCR und zwei kleinere Hilfsorganisationen die Genehmigung das Camp zu betreten.

Nach 3 Tagen gelingt es mir und ein paar anderen unserer Gruppe, über eine kleine slowenische Hilfsorganisation “Magna” das Camp zu betreten. Eine Ärztin streift uns ein T-Shirt über und sagt, wir sollen einfach mitkommen und es versuchen, ob wir unkontrolliert passieren können. Es klappt. Das Team von Magna ist komplett am Anschlag und untersbesetzt. Hilfe wird schon seit Tagen dringend benötigt aber die Regierungsbehörden erlauben uns freiwilligen Helfern keinen Zutritt zum Camp. Aber jetzt wo ich drin bin, bleibe ich so lange es mir möglich ist.

Im Camp bauen wir eine Zelt und eine Versorgungsstation für Kinder auf. Am Tag zuvor ist angeblich ein Kind auf der Zugfahrt nach Österreich gestorben wegen Unterkühlung in der Nacht zuvor.

In der Nacht klappern wir die Warteschlangen ab und fischen 120 unterkühlte Kinder heraus, um sie in unserem Zelt aufzuwärmen.

Eine Mutter, die auf der Überfahrt ihren Cousin verloren hat weil er ertrunken ist, ist zu Tränen gerührt, als wir Ihrer kleinen Tochter einen Luftballon geben. Eine Augenblick, den ich in meinem ganzen Leben nie vergessen werde.

Rundgang durch die Zelte. Wir haben 150 Decken für 3000 Flüchtlinge. Ein Dilemma, das mich an meine Grenzen bringt. Als ein gestandener Mann vor mir steht und mich anfleht “Please Mister, give me blanket – I’m so cold. I’m so cold.” kommen mir die Tränen. Ich muss die Hilfe ausschlagen, da wir aufgrund des Mangels entscheiden mussten, die Decken nur an Kinder und Müttern mit Kindern weiter zu geben.

Die Arbeit als Flüchtlingshelfer ist ein Fass ohne Boden. Manchmal bin ich der Verzweiflung nahe, aber Schritt für Schritt geht es immer weiter voran.

Nach 38 Stunden im Camp gönne ich mir 4 Stunden Schlaf. Zelt und Schlafsack sind nass, genauso wie alles andere auch. Aber verglichen mit allem anderen ist das noch das geringste Übel. Ich weiß immerhin, dass ich in einer Woche wieder zurück in Deutschland bin und ein warmes Dach über dem Kopf haben werde. Kaum vorstellbar wie es einem als Flüchtling ergehen muss, mit all den Ungewissheiten auf dem beschwerlichen Weg in ein hoffentlich sicheres Land.

Tägliche Prozedur – Aussortieren und Ordnen der Kleiderspenden. Kaum zu glauben, was man dort alles findet. Vom Cowboyhut…

Mittlerweile konnten wir das Vertrauen der Behörden gewinnen und haben offiziell Zugang zum Camp. Eines der Zelte, das wir bekommen, bauen wir zur Ladestation und zum Hotpsot um.

Das Zelt ist heiß begehrt. Alle wollen Ihre Handys aufladen und denvers Familien und Freunden zuhause Nachricht geben, dass es Ihnen gut geht.
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Meinen allergrößten Respekt für deine Leistungen vor Ort David!!! Du bist einer der wenigen von uns, welcher nun weiß wie es in solchen Camps wirklich zugeht. Danke das du diese Erfahrungen mit uns teilst.